Branchentreff der Kraftfahrzeug-Innung Flensburg Stadt und Land

Mit pragmatischen Ansätzen Erpressern das Handwerk legen

Obermeister Günther Brodersen (li.) dankte Anja und Michael Bauer für einen spannenden Vortrag im Rahmen des diesjährigen Branchentreffs.

Völlig unerwartet und quasi über Nacht ist die Flensburger Autohausgruppe Bauer vor gut zwei Jahren in einen digitalen Ausnahmezustand geschlittert.  Ein Cyberangriff russischer Krimineller legte das gesamte IT-System lahm, was einen kompletten Datenverlust, Ausfallzeiten und finanzielle Schäden zur Folge hatte. Serverzugriffe blieben ohne Antwort, Mitarbeiter konnten ihre Computer nicht mehr bedienen. Ein Schockzustand, der für die Geschäftsführung eine existenzbedrohende Lage prognostizierte. Die Verantwortlichen reagierten mit klugen Entscheidungen, die schlussendlich eine Kehrtwende begünstigten. Doch wie konnte sich die mittelständische Autohausgruppe gegen diese Attacke aus dem Word Wide Web behaupten und wie ist es gelungen, die betrieblichen Abläufe wieder herzustellen?  Einblicke in die abenteuerliche Rettung ihres Unternehmens erlaubten Anja und Michael Bauer im Rahmen eines Vortrags auf dem jüngsten Branchentreff der Kraftfahrzeug-Innung Flensburg Stadt und Land.

Die Autohausgruppe Bauer war vor dem Hackerangriff mit elf Marken an insgesamt sieben Standorten regional gut aufgestellt. Digital verwaltet wurden 2000 Automobilverkäufe im Jahr, ein Lagerbestand von 400.000 Ersatzteilen und bis zu 80 Reparatur- und Wartungsaufträge am Tag.  An einem Samstagmorgen im Juni offenbarte sich das Unheil: Alle Daten weg, verschlüsselt nicht mehr zugänglich und auf dem Tisch lag eine beachtliche Lösegeldforderung der Hacker: „Zugriff gebe es nur gegen Lösegeld, so die Botschaft aus der Ferne“, sagt Geschäftsführerin Anja Bauer. Nach reiflichen Überlegungen und einer Abwägung der Sachlage folgte eine klare Erkenntnis: „Wir lassen uns nicht erpressen“, ergänzt Michael Bauer. Gemeinsam mit ihren Mitarbeitern krempelten Anja und Michael Bauer die Ärmel hoch und wagten einen entscheidenden Schritt: Sie formierten die Unternehmensgruppe komplett neu. Eine unabhängige Reaktivierung der IT-Infrastruktur musste so rasch wie möglich erfolgen aber etliche Vorgänge hatten für eine gewisse Zeit eher einen manuellen Charakter: „Wir haben ein Lagezentrum eingerichtet und viele Maßnahmen spontan und aus der Hüfte heraus entschieden. Bleistift und Schreibblock kehrten in den Arbeitsalltag zurück “, betont Anja Bauer.

Rückblickend ergaben sich neue Erfahrungen für die engagierte Geschäftsführerin, die in einem weiteren Schritt alle sieben Firmen liquidierte und zwei neue gründete. Mit pragmatischen Ansätzen, einfachen Lösungen, viel Mut und Kraft haben es alle Beteiligten der Unternehmensgruppe geschafft, dem erpresserischen Wirken Krimineller einen Riegel vorzuschieben. Nach bisherigen Erkenntnissen handelt es sich um den größten Hackerangriff auf ein Unternehmen in Schleswig-Holstein. Finanzielle Verluste in nicht geringem Umfang sind nicht ausgeblieben, doch die Erkenntnis darüber, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben, lässt den Blick erwartungsvoll in die Zukunft richten.