Branchentreff der Kraftfahrzeug-Innung Flensburg Stadt und Land
Herausforderung oder Überforderung: Ist der Wandel im Kfz-Gewerbe zu meistern?
Die Transformation in der Automobilbranche ist vielerorts schon Realität. Händler und Werkstätten sind von einem Strukturwandel betroffen, der Zukunftsaussichten völlig neu bewertet. Doch gelingt es im Zuge der allgemeinen Prozessumstellung, die Herausforderungen zielgerichtet anzupacken oder macht sich vielmehr eine Überforderung bemerkbar? Diese Frage stellte die Präsidentin des Verbandes des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein e.V., Nina Eskildsen, in den Raum, die Mitte September auf dem Branchentreff der regionalen Kraftfahrzeug-Innung als Gastrednerin referierte.
Dass Politik und Gesellschaft dazu aufgefordert werden müssen, verstärkt für das Unternehmertum zu werben, betonte die Präsidentin in ihren einleitenden Ausführungen. Gerade im schleswig-holsteinischen Mittelstand stehen in den kommenden Jahren zahlreiche Betriebsübergaben an: „Neben der Eignung zum Unternehmer ist der Wille, Verantwortung zu übernehmen, ein grundlegender Aspekt. Diese Einstellung ist in der Gesellschaft ein wenig verloren gegangen“. Der Wandel vom Verbrenner zur E-Mobilität kristallisierte sich als ein zentrales Thema für die anwesenden Führungskräfte und Betriebsinhaber heraus.
Nina Eskildsen dazu: „Ich welcher Form setzt sich die E-Mobilität bei den Kunden eigentlich durch?“ Investitionen von Seiten der Fachbetriebe sind getätigt. Mitarbeiter geschult und Werkstatt-Ausstattungen angepasst. Die Preise bei Neuanschaffungen machen einen eklatanten Unterschied deutlich. E-Fahrzeuge sind im Vergleich zu Verbrenner-Modellen gut 25 Prozent teurer. Als kontraproduktiv bezeichnet Nina Eskildsen dabei den Stopp der Förderungen: „Meiner Meinung nach wird die Situation durch hohe Preise und sinkende Förderung dazu führen, dass die Nachfrage zurückgeht. Eine staatliche Förderung ist also weiterhin notwendig, um Kaufanreize zu schaffen“. Auch der Wegfall von kleineren E-Modellen bei vielen Herstellern bereitet Kopfzerbrechen: „Für uns bedeutet es, dass wir bestimmte Kundengruppen, wie Pflegedienste oder Apotheken, nicht mehr beliefern können. Zudem nutzen viele private Kunden diese Fahrzeuge als Einstiegsvariante. Kleinere Modelle werden benötigt, um Kunden an die Marken heranzuführen“. Darüber hinaus fehlen Niedrigpreissegment-Fahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt, um ebenfalls Kunden mit kleinerem finanziellem Budget eine individuelle Mobilität zu ermöglichen.
Mit immer wieder neuen Herausforderungen ist die Branche zusätzlich durch Neuregelungen konfrontiert. So modifizieren Hersteller und Importeure teilweise bewährte Handelssysteme und setzen verstärkt auf Agenturmodelle. Das Nachweisgesetz ist in Kraft getreten und die elektronische AU eingeführt. Im Rahmen der Digitalisierung ist die Außendarstellung für Kunden mit sinnvollen Serviceaspekten vorteilhaft. Für die Vereinfachung interner Prozesse funktioniert die digitale Zulassung nach aktuellem Stand jedoch noch nicht zufriedenstellend: „Grundsätzlich wird somit alles einfacher und kostengünstiger. Doch die Umsetzungsvorbereitung ist schlecht verlaufen“, unterstreicht Nina Eskildsen.
Fachkräfte zu rekrutieren, stellt die Branche vor besondere Herausforderungen. Nina Eskildsen plädierte dafür, das Hauptaugenmerk auf die Ausbildung des eigenen Nachwuchses zu legen. Vor allem sollten Praktikumsplätze angeboten werden, die mit einer zielgerichteten Begleitung zur Aufnahme eines Ausbildungsverhältnisses führen: „Wir müssen großen Wert auf eine gute, interessante Ausbildung legen. Anmerkungen wie Lehrjahre sind keine Herrenjahre sind dabei nicht mehr zeitgemäß und daran müssen sich alle Mitarbeiter orientieren“. Der Landesverband ermöglicht dafür ab Herbst spezielle Seminare. „Das Thema Personal kostet viel Zeit, ist aber für uns alle existentiell“, ergänzt die Präsidentin. Die Komplexität der Aufgaben innerhalb der Kfz-Branche ist immens und ob die Herausforderungen zur Überforderung werden, liegt schlussendlich an jedem selbst, so Nina Eskildsen: „Viele Dinge können wir nicht ändern, nur die Einstellung dazu optimieren. Denn wir entscheiden selbst, wie dicht wir bestimmte Dinge an uns heranlassen“. Es wird ein klarer Blick für das Wesentliche notwendig sein, es braucht Mut, um neue oder andere Wege zu gehen und auch Mitarbeitende sollten bei Entscheidungen mit ins Boot genommen werden. „Wichtig ist dabei immer die Unterstützung, der Austausch mit Kollegen, ein gelungener Branchentreff so wie heute Abend“.
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